Glossar

B

Barock am Main. Der Hessische Molière

Das Sommertheaterfestival im Bolongarogarten Frankfurt-Höchst. Seit 2005 spielt das Ensemble, das sich um den Dramatiker Wolfgang Deichsel und Michael Quast gebildet hat, vor historischer barocker Kulisse Molières Komödien. Und zwar in Deichsels Bearbeitungen und Übertragungen ins Hessische. Das Repertoire erweitert sich um Barockopern und andere Stoffe der Barockliteratur sowie um Familienstücke, die auch ein junges Publikum ansprechen.  Seit dem Tod von Wolfgang Deichsel im Jahr 2011 sorgt der Autor Rainer Dachselt für die hessischen Stückfassungen. Zum Festival

„Die schönste der schönen Freilichtkulissen weit und breit!“ (Frankfurter Rundschau)

„In den Inszenierungen vereinen sich Mundart und Moderne, Komisches und Klassisches, Lachnummern und Literatur aufs trefflichste.“ (FAZ)

Ab 2017 wird der Bolongaropalast für mehrere Jahre renoviert und umgebaut. Als Ausweichspielstätte wurde die Höchster Porzellan-Manufaktur gefunden.

Batzdorfer Hofkapelle

Zusammen mit der Batzdorfer Hofkapelle hat die Fliegende Volksbühne 2009 die Händel-Oper „ACI, GALATEA E POLIFEMO“ produziert, die mit großem Erfolg beim „Barock am Main“-Festival und bei den Batzdorfer Barockfestspielen auf Schloß Batzdorf an der Elbe aufgeführt wurde. Im Juli 2010 gab es eine Wiederaufnahme in Frankfurt-Höchst. www.batzdorfer-hofkapelle.de   

C

Cantate-Saal

Von Oktober 2013 bis Mai 2015 hatte die Fliegende Volksbühne eine feste Spielstätte: den Cantate-Saal direkt neben dem Goethehaus in der Frankfurter Innenstadt.

Der Ort hat Charme und Geschichte. In den Jahren 1953 – 57 entstand im Großen Hirschgraben 19-21, direkt neben dem Goethehaus, nach Plänen des Architekten Wilhelm Massing der Neubau des Sitzes des Börsenvereins des deutschen Buchhandels mit dem Cantate-Saal. Bei den Buchhändlern gab es den Brauch, alljährlich am Sonntag Cantate (dem 4. Sonntag nach Ostern, dem Singesonntag) zur Abrechnung zu gehen. In Erinnerung an diese Tradition wurde der Saal Cantate-Saal genannt. In den 50er und 60er Jahren fanden hier Veranstaltungen mit berühmten Autoren wie Paul Celan, Theodor W. Adorno oder Samuel Beckett statt.

Anfang der 1970er Jahre bezog das Programmkino „Lupe 2“ den Saal. 1975 wurde er Sitz des Frankfurter Volkstheaters, das Liesel Christ 1971 gegründet hatte. Im Mai 2013 stellte es seinen Betrieb ein.

Ab Herbst 2015 wird das Areal teils abgerissen und neu bebaut. Es entstehen das Deutsche Romantik-Museum und Wohnungen. Der Cantate-Saal wird renoviert und wird ab September 2019 der Fliegenden Volksbühne wieder als Spielstätte dienen. 

K

Karl Ettlinger

Ettlinger, geboren am 22. Januar 1882 in Frankfurt am Main, war von 1902 bis 1927 einer der wichtigsten und produktivsten Mitarbeiter der Münchner Wochenschrift „Jugend“, für die er auch Mundartgedichte „von eme alde Frankforder“ schrieb. Unter dem Pseudonym „Karlchen“ war er einer der beliebtesten humoristischen Schriftsteller seiner Zeit. Wahrscheinlich infolge von Repressionen des NS-Regimes starb er am 29. Mai 1939 in Berlin. Sein Grab befindet sich auf dem Jüdischen Friedhof in der Rat-Beil-Straße in Frankfurt. Karl Ettlingers Szene „Die geteilte Walküre“ wurde 2010 und 2011 von der Fliegenden Volksbühne im Rahmen des Abends „Ich saach niks mehr!“ in den Kammerspielen von Schauspiel Frankfurt aufgeführt.  

M

Maximilian Leopold Langenschwarz

Langenschwarz, geboren am 23. März 1808 in Rödelheim, war eine schillernde Persönlichkeit mit einem turbulenten Lebenslauf, der ihn als Vortragskünstler und „Wasserdoktor“ durch ganz Europa und nach der Teilnahme an der 48er-Revolution schließlich bis nach New York führte. Dort verliert sich 1867 seine Spur.
Eine Lesung von Michael Quast mit Texten von Langenschwarz am 11. Dezember 2008 im Frankfurter Autorentheater war die allererste Veranstaltung der neugegründeten Fliegenden Volksbühne – gerade noch rechtzeitig zum 200. Geburtstag des bis dato weitgehend unbekannten Frankfurter Autors.  

Die Szene „Herr Bimbler in der Nachtkapp“ von Langenschwarz wurde 2010 und 2011 von der Fliegenden Volksbühne im Rahmen des Abends „Ich saach niks mehr!“ in den Kammerspielen von Schauspiel Frankfurt aufgeführt. Diese „häuslich Nacht-Szen bei der Revolution“ erschien erstmals um 1840 in einem Groschenheftchen mit dem Titel „Bergerliche Haamlichkeite aus der Umgegend, odder Verbott’ne Blicke in unverbott’ne Familiestücker“. In insgesamt fünf Heftchen mit „Haamlichkeite“ glossierte Langenschwarz derb und treffend Milieu und Stimmungen im Frankfurt der 1830er Jahre.

Merci Mouson!

Seit den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts war das Künstlerhaus Mousonturm unsere künstlerische Heimat in Frankfurt. Wie fing das an? 1991 moderierte Michael Quast die Benefizveranstaltung „Heartbeat“ mit Tänzern der Forsythe-Company zugunsten der AIDS-Hilfe. Im Jahr 2000 stand Sabine Fischmann in der Birgitta Linde-Produktion „Erlkönigvariationen“ zum ersten Mal auf der Bühne in der Waldschmidtstraße. Wieviel Lebenszeit haben wir hier verbracht? Monatelange Proben, zitternde Premieren, selige Premierenfeiern! Koproduktionen wie Taboris „Mein Kampf“ im Museum Judengasse wären ohne den Mousonturm nicht machbar gewesen. Die Fernsehaufzeichnung von „Don Giovanni à trois“ in diesem Haus war ein Glücksfall! Im Rückblick der reine Wahnsinn waren die „Quastiaden“, bei denen im November 2003 innerhalb von 11 Tagen sieben verschiedene Produktionen gezeigt wurden. Dank und nochmals Dank an Dieter Buroch, Karl Krause und ein großartiges Team! Dank an das Mousonturmpublikum, das wir uns im Laufe der Jahre erobert haben und das uns treu geblieben ist!

Nun heißt es Abschied nehmen: das Künstlerhaus geht ab 2012 unter neuer Leitung neue Wege. Die Fliegende Volksbühne schlägt mit den Flügeln und ruft: Merci Mouson!   M E R C I  M O U S O N  ! 

P

Paradieshof

Der Paradieshof ist ein großes verrottetes Gebäude aus den 60er Jahren, in Alt-Sachsenhausen am Paradiesplatz gelegen, in dem nach einer Idee von Stadtplanungsamt und Kulturamt ein Theater entstehen sollte, dessen erster Nutzer die Fliegende Volksbühne hätte sein können. 

Die Frankfurter Stadtverordneten hatten am 27. Januar 2011 beschlossen, daß die Stadt das Gebäude „Paradieshof“ erwirbt, um darin ein Theater und Wohnungen zu errichten. Die Zustimmung zur Arbeit der Fliegenden Volksbühne und zum Konzept, das Michael Quast für den Paradieshof vorgelegt hat, war einhellig. Damit war schon zwei Jahre nach Gründung der Fliegenden Volksbühne eine feste Spielstätte in greifbarer Nähe! Als Sieger eines Architektenwettbewerbes wurde am 17. März 2011 der Entwurf von Max Dudler ausgewählt. Mehr zu diesem renommierten Berliner Architekten finden Sie hier.

Es folgte eine intensive Planungsphase, an der das Architekturbüro, diverse Gutachter, Fachplaner (z.B. für den Bereich Bühnentechnik), Projektsteuerer, Mitarbeiter des Planungs- und Hochbauamtes und auch wir von der Fliegenden Volksbühne beteilgt waren. Nächstes Etappenziel war die Erstellung einer sog. „Bau- und Finanzierungsvorlage“, die im Jahr 2013 wieder durch diverse städtische Gremien gelaufen wäre. Im Frühjahr 2014 sollte mit dem Bau begonnen werden mit dem Ziel, im Herbst 2015 das neue Theater zu eröffnen.
Die Sparbeschlüsse der schwarz-grünen Koalition im Februar 2013 machten diese Perspektive zunichte.
Nach Auskunft des damaligen Baudezernenten Olaf Cunitz hatte die Stadt bis dato für den Architektenwettbewerb und die reine Planungsarbeit rund 350.000 Euro ausgegeben. Der Paradieshof ist bis heute ungenutzt.

T

Tierpatenschaft

Die Fliegende Volksbühne Frankfurt übernimmt eine Tierpatenschaft für die Guerezas im Frankfurter Zoo. Die Guerezas oder Mantelaffen (Colobus guereza) sind eine Primatenart aus der Familie der „Meerkatzenverwandten“ und Meerkatzen bevölkern, wie wir wissen, die Hexenküche in Goethes Faust. Dort sind sie der deutschen Sprache mächtig und dienen der Hexe als Küchenpersonal.

In der freien Natur leben die Guerezas in Zentralafrika. Sie tragen ein sehr attraktives, schwarz-weiß gemustertes, langhaariges Fell, das besonders Ende des 19. Jahrhunderts bei Modeschöpfern und ihren Kundinnen beliebt war. Auch heute noch zählen die Guerezas zu den bedrohten Tierarten.

Bisweilen werden die Guerezas auch Flugaffen genannt, weil sie hauptsächlich auf Bäumen leben, in denen sie sehr akrobatisch, um nicht zu sagen aeronautisch, herumturnen. Oft hält sich eine Gruppe tagelang auf einem einzigen Baum auf. Durch Brüllkonzerte markieren sie ihr Territorium. Auch darin sind sie den Theaterleuten verwandt.

W

Wolfgang Deichsel

Wolfgang Deichsel, genannt der „Hessische Molière“, wurde 1939 in Wiesbaden geboren. Studium der Germanistik, Kunstgeschichte und Psychologie in Marburg und Wien. Seit 1965 arbeitete Deichsel mit Theaterleuten wie Fritz Kortner, Peter Hacks, Curt Bois und Peter Stein. 1969 Gründungsmitglied des Verlags der Autoren in Frankfurt am Main. 1970 Uraufführung der ersten Bearbeitung und Übertragung einer Molière-Komödie ins Hessische: „Die Schule der Frauen“. 1971 – 1974 Mitglied im Dreierdirektorium des Theaters am Turm in Frankfurt. 1985 – 1998 Ensemblemitglied und Hausautor am Schauspiel Frankfurt. 1997 erhielt Deichsel den Frankfurter Binding-Kulturpreis „in Anerkennung seines Wirkens als genuiner Dramatiker“. 1999 widmete sich das internationale Theaterfestival „Frankenstein – ein Theatermonster“ in Weimar Deichsels Textmaterial rund um sein Stück „Frankenstein. Aus dem Leben der Angestellten.“ Zu seinem 70. Geburtstag 2009 wurde er bei einem Fest in der Deutschen Nationalbibliothek (das die Fliegende Volksbühne veranstaltet hat) u.a. von der Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth und Büchnerpreisträger Wilhelm Genazino gefeiert. Am 7. Februar 2011 ist Wolfgang Deichsel gestorben.

Deichsels grandiose hessische Molière-Übertragungen „Die Schule der Frauen“, „Der Tartüff“, „Der Menschenfeind“ und „Der eingebildet Kranke“ sind das Herzstück im Repertoire des „Barock am Main“-Festivals in Frankfurt-Höchst.